Thema des Seminars

Vor fast sechs Jahrzehnten entstand weltweit eine internationale Studentenbewegung. Auch Deutschland, einschließlich des Ruhrgebiets und der neu gegründeten Ruhr-Universität Bochum (RUB), wurden von Protesten und Demonstrationen der sogenannten „Generation 68“ erschüttert, die sich gegen überkommene Strukturen und Krieg richtete und in Deutschland zusätzlich eine Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit einforderten.

Die Rolle von Oral History in der Lehrveranstaltung

Die Praktische Übung „RUB-Jubiläum und die ’68er-Generation’“ nahm das im Jahr 2025 anstehende 60-jährige Jubiläum der Ruhr-Universität zum Anlass, die Erlebnisse und Perspektiven der ’68er-Generation‘ und die Auswirkungen auf die RUB zu sammeln und zu dokumentieren. Methodisches Ziel war es, erste Erfahrungen in der Entwicklung eines Oral History-Projekts zu ermöglichen. Dazu wurden zunächst einschlägige historische Quellen recherchiert und ausgewertet. Besonderes Augenmerk lag bei der Auswahl der Quellen auf der damals noch sehr jungen Universität Bochum und ihrer Lage im Ruhrgebiet.

Nachdem sich die Studierenden ausgewählte Aspekte der Geschichte der Ruhr-Universität und der Studentenbewegung der 1968er Jahre in Deutschland erarbeitet hatten, beschlossen sie den Schwerpunkt auf die Geschichte von Studentinnen mit Migrationshintergrund, die als erste Mitglieder ihrer Familien Zugang zum Universitätssystem in Deutschland hatten, zu legen. Das Projekt basierte auf dem Konzept des Oral Histoy Life Cycle (Link zu Lehreinheit Planung eines Oral History Projekts). Die Studierenden wurden von der Formulierung einer Fragestellung über grundlegende methodische Fragen der Oral History bis hin zur praktischen Umsetzung von Zeitzeugen- und Experteninterviews und deren Auswertung im Hinblick auf die Fragestellung begleitet. Um alle Studierenden in die Praxis der Oral History einzubeziehen und den hohen zeitlichen Aufwand für ein Oral History-Projekt zu bewältigen, wurden fünf verschiedene Gruppen gebildet, von denen jede für eine Phase des Oral History Life Cycle verantwortlich war. Jede und jeder Studierende wählte eine bestimmte Phase des Projekts aus: (1) Idee, (2) Plan, (3) Interview, (4) Erhaltung, Kuratierung, (5) Zugänglichmachung, Nutzung.

Jede Gruppe arbeitete für sich, aber auch im Austausch mit den anderen Gruppen, um ein komplettes Projekt von Grund auf zu planen und durchzuführen. Das Ergebnis waren viele praktische Übungen, die eine wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem Archiv des Hauses der Geschichte des Ruhrgebiets im Institut für Soziale Bewegung der Ruhr-Universität Bochum umfassten. Hier konnten wir beispielsweise die umfangreiche Interviewdatenbank gewinnbringend für uns Projekt nutzen.

Die Studierenden erhielten die Gelegenheit, sich mit dem Konzept des Oral History Life Cycle vertraut zu machen und erste praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet zu sammeln. Von der Konzeption über die Durchführung bis zur Archivierung erhielten die Teilnehmer eine umfassende Schulung. Dies ermöglichte es ihnen, die Bedeutung von Oral History als Methode der Geschichtswissenschaft zu verstehen und ihre Fähigkeiten in der praktischen Umsetzung zu vertiefen. Den Studierenden wurde die Möglichkeit geboten, die Arbeitsabläufe eines historischen Archivs kennenzulernen. Dies stellte einen weiteren Erfolg dar, da nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch Einblicke in die praktische Seite der Archivierung und Bewahrung von Oral History-Interviews vermittelt wurden.

1965: Ein großes Schild am Bochumer Hauptbahnhof weist auf die Eröffnung der RUB hin. Quelle: Ruhr-Universität Bochum. Auf Zeitreise, URL: https://news.rub.de/bildergalerie/auf-zeitreise?p=64#b

Reflexion

Die praktische Übung war als „wissenschaftlicher Versuch“ gedacht, der es den Studierenden ermöglichen sollte, Oral History-Interviews sowohl mit Expertinnen und Experten der Studierendenbewegung an der RUB als auch mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu planen und durchzuführen. Dieses Format brachte eine Reihe an Herausforderungen mit sich, die für jedes Oral History-Projekt typisch sind. Ein großes Manko des Projekts war der Zeitdruck, der die vollständige Entwicklung des Projekts behinderte. Die Hauptschwierigkeit bestand darin, in begrenzter Zeit einen geeigneten Zeitzeugen oder eine Zeitzeugin zu finden, der oder die den Anforderungen des Projekts gerecht wurde. Trotz des Zeitdrucks war das Oral History-Projekt „RUB-Jubiläum und die 68er-Generation“ ein Erfolg hinsichtlich der umfassenden Ausbildung der Studierenden im Oral History Life Cycle und dem Einblick in Archivprozesse. Die Möglichkeit, auf eine Interviewdatenbank zuzugreifen, bereicherte ihre Forschungserfahrung.

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